Was tun bei rechten Angriffen gegen demokratische Engagement? Sich juristisch wehren kann eine Möglichkeit sein. Tipps dazu in Teil 2 der Reihe TolSaxKompakt
Meinungsfreiheit hat Grenzen
In Debatten um politische Bildung und demokratiefördernde Projekte geht es häufig kontrovers zu. Verschiedene Ansichten und Meinungen prallen aufeinander. Das ist prinzipiell kein Problem. Kritik spielt in demokratischen Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle. Problematisch wird es, wenn dabei die sachliche Ebene verlassen wird. Im TolSaxKompakt Nr. 1 haben wir anhand eines Beispiels geschildert, wie so eine öffentliche Kampagne gegen einen Verein abläuft und wie sich die Engagierten dagegen wehren können. Ein mögliches Mittel dafür sind juristische Schritte. Damit kann man ein deutliches Stopp-Zeichen setzen.
Dabei ist zu beachten: Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland durch das Grundgesetz geschützt. Darunter fallen auch unangenehme und diskriminierende Meinungen. Gerade in politischen Auseinandersetzungen ist viel erlaubt und muss viel ausgehalten werden. Antidemokratische Akteur_innen reizen das häufig bis zum Äußersten aus. Trotzdem gibt es Grenzen der Meinungsfreiheit. Demokratische Vereine und Initiativen müssen sich also nicht alle Äußerungen, die gegen sie gerichtet sind, gefallen lassen.
Häufig besteht Unsicherheit darüber, bei welchen Anfeindungen es möglich und sinnvoll ist, sich juristisch dagegen zu wehren. Und was die dafür nötigen Schritte sind. Reicht eine Anzeige bei der Polizei oder sollte ein_e Rechtsanwält_in hinzugezogen werden? Welche Risiken sind mit einem Prozess verbunden?
In diesem TolSaxKompakt findet Ihr ein paar Grundlagen zur Meinungsfreiheit und ihren Grenzen. Juristische Materie ist kompliziert. Das sollte Euch aber nicht davon abhalten, Eure Rechte einzufordern und gegen Rechtsverstöße vorzugehen.
Schutz der Meinungsfreiheit
Grundlegend für die Frage der Meinungsfreiheit in Deutschland ist Artikel 5 des Grundgesetzes. Dieser Artikel beginnt mit folgendem Satz:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“
Aus Artikel 5 des Grundgesetzes
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Bedeutung dieses Grundrechts in verschiedenen Urteilen bekräftigt. Der freie, ungehinderte Austausch von Meinungen wird als konstitutiv für für die freiheitliche demokratische Grundordnung angesehen. Das gilt auch für diskriminierende und antidemokratische Äußerungen:
„Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien.“
Aus BVerfG-Entscheidung
vom 4. November 2009
zum Verbot der „Rudolf-Heß-
Gedenkmärsche“ in Wunsiedel
Wie alle Grundrechte ist die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Meinungsfreiheit ein Abwehrrecht gegen den Staat. Dieser darf nicht in diesen geschützten Freiheitsbereich eingreifen. Insbesondere ist eine (Vor-)Zensur von Meinungsäußerungen untersagt. Was unter den Schutz der Meinungsfreiheit fällt, darf nicht verboten oder bestraft werden.
Schranken der Meinungsfreiheit
Beschränkt wird die Meinungsfreiheit laut Grundgesetz nur durch allgemeine Gesetze, den Jugendschutz und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG). Mit allgemeinen Gesetzen sind solche Vorschriften gemeint, die sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richten, sondern für alle gelten. Abzuwägen sind auch Konflikte mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das sich aus Artikel 1 (Menschenwürde) und 2 (freie Entfaltung der Persönlichkeit) ergibt. Es schützt insbesondere das Recht am eigenen Wort und am eigenen Bild – vor allem bei Personen, die nicht schon selbst öffentlich agieren.
Im Folgenden eine kurze Übersicht zu einigen Äußerungsdelikten, die nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind:
Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch)
Ob eine strafbare Beleidigung vorliegt, ist oft schwierig festzustellen. Es geht dabei um (negative) Werturteile. Diese sind im Sinne der Meinungsfreiheit in einem weiten Maße zulässig. Eine Grenze besteht in der Schmähkritik, bei der eine Person bewusst diffamiert und in ihrer Ehre herabgesetzt wird. Gerade im politischen Meinungsstreit wird der Rahmen des Zulässigen von den Gerichten besonders weit gefasst.
Üble Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB)
Unwahre Tatsachenbehauptungen sind im Gegensatz zu Werturteilen grundsätzlich überprüfbar. Üble Nachrede meint die Verbreitung von „nicht erweislich wahren“ Tatsachen, die dazu geeignet sind, die davon betroffenen Person „verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen“. Der oder die Behauptende ist hier also in der Pflicht nachzuweisen, dass die ehrverletzende Behauptung wahr ist. Bei der Verleumdung werden unwahre Tatsachen „wider besseres Wissen“ verbreitet.
Bedrohung (§ 241 StGB) und öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB)
Dabei wird mit gegen eine bestimmte Person gerichteten Verbrechen wie Mord, schwere Brandstiftung oder schwere Körperverletzung gedroht oder zur Begehung von rechtswidrigen Taten aufgefordert. Bei der juristischen Beurteilung spielt u.a. eine Rolle, wie ernsthaft solche Ankündigungen gemeint sind.
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB)
Verboten ist das öffentliche Zeigen von Symbolen in Deutschland verbotener Parteien und Vereinigungen wie dem „Blood & Honour“-Netzwerk oder der „Heimattreuen Deutschen Jugend“. Dazu gehören auch ehemalige nationalsozialistische Organisationen. Als Kennzeichen gelten Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Das betrifft beispielsweise Symbole wie das Hakenkreuz und Parolen wie „Heil Hitler“ oder „Sieg Heil“.
Volksverhetzung (§ 130 StGB)
Dabei handelt es sich um das Aufstacheln zum Hass gegen eine „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe“ oder gegen Einzelne wegen ihrer Zugehörigkeit zu so einer Gruppe (§ 130 Abs. 1 StGB). Auch die Leugnung oder Verharmlosung des Holocausts fällt unter diesen Paragraphen (§ 130 Abs. 3 StGB). Ebenso die Verherrlichung der „nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“, wenn dadurch der öffentliche Friede „in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise“ gestört wird (§ 130 Abs. 4 StGB).
Was tun?
Auf die beschriebenen Delikte könnt Ihr als Betroffene grundsätzlich auf zwei Arten reagieren:
Strafanzeige (strafrechtlicher Weg)
Straftaten könnt Ihr bei der Polizei (auch online) oder direkt bei der Staatsanwaltschaft anzeigen. Einige der genannten Delikte (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung) sind Offizialdelikte, die eigentlich von Amtswegen verfolgt werden. Aber manchmal müssen die Behörden erst auf das Vorliegen einer Straftat hingewiesen werden. Bei Antragsdelikten müssen die Betroffenen bei der Anzeige einen Strafantrag (Wunsch nach Strafverfolgung) stellen.
Zur Onlinewache der sächsischen Polizei
Privatklage (zivilrechtlicher Weg)
Mittels einer Unterlassungsklage könnt Ihr Äußerungen gerichtlich untersagen lassen, die beispielsweise Eure Persönlichkeitsrechte verletzen. Außergerichtlich kann auch die Abgabe einer (strafbewehrten) Unterlassungserklärung verlangt werden. Wird diese unterzeichnet und die Aussage trotzdem wiederholt, kann eine Vertragsstrafe fällig werden. In bestimmten Fällen kann auch Schadensersatz verlangt werden. Aufgrund der komplizierten Materie ist es dabei in der Regel notwendig, sich anwaltlich vertreten zu lassen.
Für eine Anzeige spricht grundsätzlich ihr Eingang in die Polizeiliche Kriminalstatistik und damit langfristig auf die gesellschaftliche Wahrnehmung der Problemlage. Welche Folgen die Ermittlungen nach sich ziehen, hängt aber von vielen Faktoren ab. Zivilrechtliches Vorgehen kann demgegenüber relevante Anwaltskosten nach sich ziehen, falls man damit nicht oder nur teilweise erfolgreich ist. Prozesse sind immer mit Risiko verbunden. Dafür ist hier die Abschreckungswirkung im Erfolgsfall sehr hoch – gerade wenn Schadensersatz zu zahlen ist.
1. Risiken abwägen
Generell müsst Ihr abwägen, ob Ihr die Zeit und die Ressourcen für eine rechtliche Auseinandersetzung aufbringen wollt. Ein Kriterium dafür ist beispielsweise, ob durch die Äußerung die persönliche Integrität bzw. des Ruf Eures Vereins und seiner Mitarbeiter_innen geschädigt wird. Zu beachten ist zudem der sogenannte „Streisand-Effekt“: Durch den Versuch, etwas per Klage zu verbieten und speziell durch einen Prozess, kann die öffentliche Aufmerksamkeit dafür noch verstärkt werden.
2. Anwält_in finden
Der wichtigste Tipp: Sucht Euch einen gute Anwältin oder eine guten Anwalt, mit der oder dem Ihr vertrauensvoll zusammenarbeiten könnt. Die können Euch am ehesten sagen, ob eine gegen Euch gerichtete Äußerung strafbar ist oder nicht. Fragt dazu am besten bei größeren Vereinen in Eurer Stadt oder Eurer Region nach, wen sie dafür empfehlen können. Viele Initiativen haben schon Erfahrungen mit juristischen Auseinandersetzungen machen müssen.
3. Eigene Publikationen überprüfen
Wenn Ihr selbst Öffentlichkeitsarbeit betreibt und eigene Publikationen herausgebt, die sich kritisch mit bestimmten Strukturen und Personen auseinandersetzen, empfiehlt es sich, vorab eine auf Medienrecht spezialisierte Anwältin oder Anwalt hinzuziehen. Die aufgezählten Grenzen der Meinungsfreiheit gelten immer für beide Seiten. Gerade beim Persönlichkeitsrecht gibt es einige Fallstricke.
Empfehlung: kostenfreier Ratgeber zum Thema “Volksverhetzung und die Grenzen der Meinungsfreiheit" von anwalt.org